La politique est un ingrat métier. 
Dienstag, März 1, 2005, 20:09 - PRESSE
Folgenschwere Schlag-Zeile der Nr. 4399 vom 16. Februar 2005.
Und nun (Nr. 4400/23.02.2005): Ses voisins saluent son départ: "Bail bail, Hervé Gaymard!"

Man liest - und ist entrüstet. Ja, die französische Privilegienwirtschaft. Der frischgebackene französische Finanzminister zieht in eine 600 Quadratmeter grosse Wohnung ein, 11 Zimmer, 14'000 Euro Monatsmiete plus fünf Bedienstete - zu Lasten des Staates. Unerhört!
Soweit scheint alles in Ordnung: Der Mann gehört gemassregelt. Das ist denn inzwischen auch mit aller Gründlichkeit geschehen. Es war einmal ein Finanzminister namens Gaymard.
Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack:
Denn Clara und Hervé Gaymard leben nicht allein: Amédée, Angélico, Bérénice, Eulalie, Faustine, Jérôme-Aristide, Philotée und Thaïs, "wir haben sie mit viel Freude gemacht" - irgendwie verständlich, dass bei diesem gewaltigen Kindersegen die Dienstwohnung im Finanzministerium mit vier Schlafzimmern nicht unbedingt passend erscheinen wollte. Irgendwie verständlich, dass der Finanzminister einer der grössten westlichen Wirtschaftsmächte mit einem doch relativ moderaten Monatssalär von etwa 14'000 Euro keine Monatsmiete von etwa 14'000 Euro bezahlen kann (zum Vergleich: allein der Finanzminister des Kantons Zürich soll rund einen Drittel mehr verdienen...).
Dazu kommt: Monsieur Gaymards Privatleben war nachweislich ohne Fehl und Tadel; kein Blender, Prasser oder Bonvivant; kein Schönredner, kein Medienass, streng katholisch, fleissig, mit grosser Sachkompetenz - ein Leben ganz für die Familie und den Staat.
Wie schnell verliert man doch den Sinn für gewisse Proportionen, wenn sich die Zeiten ändern, wenn die Zeiten frostiger werden:
Monsieur Chirac, der zu seinen Bürgermeisterzeiten Millionen für Nahrungsmittel und Privatreisen abbuchte, ohne dass man bis heute weiss, woher die Mittel stammten.
Monsieur Chirac, der zu seinen Bürgermeisterzeiten in einer "Dienstwohnung" von 3000 Quadratmetern residierte, was für mindestens 40 Kinder gereicht hätte... und in deren Keller ein unbezahlbarer Schatz von etwa 10'000 "Dienst-Bordeaux" erster Güteklasse lagerte - für "Repräsentationszwecke"...
Monsieur Chirac, der noch heute mit unwiderlegten Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist.
Aber eben: Sogar auf diese Art wird man président, l' intouchable de la Grande Nation - da kommt in schwierigen Zeiten so ein kleiner Finanzminister gerade recht, um ein Mässigkeits-Exempel zu statuieren.

Der Text ist ein Konglomerat aus - zum grossen Teil - der Weltwoche Nr. 8/2005 (Daniel Binswanger; sein Text lässt sich leider nicht verlinken), dem Canard und französischen Tageszeitungen.

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