Schöne Ferien! 
Montag, Juli 2, 2012, 17:30 - PRESSE
Beitrag von sb_admin
Wünscht das aktuelle [NZZ Folio].


Im Tausch gegen ... 
Samstag, Juni 30, 2012, 21:07 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... zwei Gemälde, Lebensmittel, Benzin und Gold organisierte Egon einen deutschen Lastwagen. „Um Mitternacht holt er uns ab.“
Fieberhaftes Packen. Sämtliche Wertsachen kamen in grosse Kisten, sogar Bettwäsche und Bilder. Dann sassen wir da und warteten. Matratzen und Kissen, auf denen ich im Lastwagen liegen sollte, standen bereit. (Ich war noch nicht vollständig genesen.)
Gegen zwei Uhr nachts kam dann ein kleinerer Wagen. Alles wieder umladen. Eine Familie eine Kiste und pro Kopf vier Koffer, lautete die Anweisung.
Wir packten um und warteten.
Der Morgen dämmerte. Kein Wagen in Sicht. Während es nur zögerlich Tag wurde, öffnete ich die Kisten und stellte alles wieder in die Wohnung zurück, wie es zuvor gewesen war. Bilder, Tischdecken, Vasen. Als wäre nichts geschehen, als bereitete ich mich nicht darauf vor, für immer fortzugehen und mein Zuhause dem zu überlassen, der es betrat und in Besitz nehmen würde.
Hinter den heruntergelassenen Rollos zündete ich die Lampen an und ging durch die Zimmer. Alles war in Ordnung, auch die Küche.
Ich wusch die Kaffeetassen ab und stellte sie in den Schrank. (Die Koffer standen draussen vor der Tür, sie enthielten grösstenteils schon die persönlichen Sachen.)
Morgens um sieben erschien verschwitzt und nervös Egon: Auch dieser Wagen würde nicht kommen. Er hatte einen Karren organisiert.
Alles umpacken und den Karren in dreissig Minuten beladen mit dem, was aus zwei Wohnungen und für fünf Personen hineinpasste, und so, den Karren schiebend, begaben wir uns zum Bahnhof, um noch im Flüchtlingszug mitgenommen zu werden. (Die zuvor eingepackten Sachen hatte ich nur noch wegschmeissen können, die Schachtel mit den Fotos fiel auseinander, die Bilder lagen überall verstreut, auf dem Boden, auf dem Tisch, auf dem Diwan; die Sonne brannte scharf und erbarmungslos herein.) János sagte nicht viel. Er war mürrisch und verschlossen. Auch beim Packen mischte er sich nicht ein. Er half aber auch nicht.

Am Bahnhof herrschte
ein unbeschreibliches Chaos. Quer über den Bahnhofsplatz bewegte sich eine endlose Kolonne von Militärwagen. Kein Flüchtlingszug in Sicht. Unser Hab und Gut luden wir in einem der Warteräume ab, zwischen zerbrochenem Glas und Mauerschutt.
Mein Vater sagte, er sei hungrig, auf dem Weg habe er einen Obststand gesehen, er wolle zurück in die Stadt, um ihn wiederzufinden. Und er ging.
Egon und Irénke hielten Ausschau nach einem motorisierten Gefährt, sie nahmen ihre Sachen sicherheitshalber gleich mit, auf dem Karren; falls sie einen Platz ergatterten, würden sie uns hinterherfahren. Ich passte auf unsere Sachen auf. Janós begab sich nach links zur Bahnaufsicht.
Plötzlich brach ein Höllenlärm los, alle rannten und flohen durcheinander. Ein alter Eisenbahner stand am Bahnsteig und zeigte zum Himmel: „Bomber!“ Dann wurde sein Gesicht kreidebleich: „Da fallen die Bomben, seht!“ Drei kleine Trauben, bestehend aus jeweils drei Pünktchen, sanken über den Häusern herab. Ich rannte zur Bahnaufsicht und fand Janós wieder, Hand in Hand rannten wir zum Luftschutzraum. Wir standen vor einer Art unterirdischem Bunkerkorridor, man musste über eine Eisenleiter in den Schacht hinunterklettern. Die Leute schoben und traten sich wie Tobsüchtige. Da flog eine Maschine unmittelbar über unsere Köpfe hinweg. Ich stand abseits der Menge und starrte wie gebannt auf einen Dreierpunkt, der direkt auf uns niederging. Jemand brüllte wie ein Tier, jetzt ist es aus.
Zum Hinunterklettern war keine Zeit mehr. Janós riss mich an sich, hob mich hoch, warf mich in den Schacht und sprang hinterher. In dem Moment explodierte eine Bombe. Ich stürzte auf die anderen, mit der Hand blieb ich in einem Mauerspalt hängen. Im Grunde hatte mir Janós soeben das Leben gerettet, im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich war wie angewurzelt stehengeblieben und hatte nicht einmal mehr versucht, mich zu bewegen. Seltsamerweise habe ich ihm gegenüber nie Dankbarkeit dafür empfunden. Seine Geistesgegenwart hingegen bewunderte ich.
Wir standen in dem engen Betonkorridor, gegen die Wand gedrückt, wir waren sehr viele. Eine heftige Schwäche übermannte mich, ich traute mich nicht, den Kopf zur Seite zu drehen, um nicht hinsehen zu müssen, wer alles draussen geblieben war und nun heruntergebracht wurde, schrecklich zerfetzt und doch noch am Leben. Einer wollte etwas sagen, brachte jedoch nichts heraus. Nur irgendwelche Laute drangen aus ihm hervor, wieder und wieder, ein unverständliches Röcheln. Der Betondeckel des Schachts wurde zugezogen, trotzdem hörte man die Bomben einschlagen, immer wieder … Sie waren sehr nah. Von Zeit zu Zeit erzitterte die Erde um uns. Ein Eisenbahner stand am Bunkertelephon, befahl uns, still zu sein, und rief in den Hörer: „Wir haben Verletzte, schicken Sie bitte die Erste Hilfe!“ Zehnmal hintereinander der gleiche Satz. Dann: „Ich verstehe“, lange Pause, er wartete, aufmerksam. Dann wischte er sich über die Stirn: „Man kann uns nicht helfen.“
Dann machte er sich an einer Vorrichtung zu schaffen, um die Belüftungspumpe in Gang zu setzen. Nichts tat sich. Er mühte sich ab, andere halfen ihm dabei, doch es funktionierte nicht. Man müsse den Betondeckel öffnen, hiess es, denn die Luft im Schacht wurde dramatisch knapper. Wir drohten zu ersticken. (…)
Di erste Gruppe begann, die Leiter hinaufzuklettern. Der Betondeckel lässt sich nicht öffnen. Wir sind begraben. Was jetzt?
Nun machten sich andere an der Pumpe zu schaffen, der Eisenbahner telephonierte. „Es gibt keine Luft! Es gibt keine Luft! Wir sind begraben, wir brauchen Hilfe, wir brauchen Hilfe!“ Dann die Anweisungen: „Nicht sprechen, sich nicht bewegen! So verbrauchen wir weniger Luft. Atmen Sie flach und gleichmässig!“
Wie Heringe standen wir da, ganz still, wir schwitzten und atmeten verzweifelt, denn etwas Luft gab es noch. (Wenn ich jetzt tiefer einatme, halte ich es dann länger aus?) Am schlimmsten war das Telephon. Und in der tödlichen Stille das Röcheln der Verwundeten, der Schweiss. „Wir sind siebzig Personen, zehn, fünfzehn Minuten schaffen wir es noch.“ Dann: „Die Telephonleitung ist tot.“ Er liess den Arm sinken, den Hörer in der Hand.

"Im Krieg ist es nicht leicht.

In der Ehe auch nicht.

Ich werde versuchen, Dir davon zu erzählen,

denn einmal muß es ja erzählt werden." - Alaine Polcz


Links: [Perlentaucher] - [Suhrkamp], mit weiterer Leseprobe.
"Das allerhübscheste Talent ... 
Freitag, Juni 29, 2012, 06:24 - PRESSE
Beitrag von sb_admin
... nützt nichts, wenn der Autor nicht in der Lage ist, sich an den Tisch zu setzen und sehr entschlossen dort sitzen zu bleiben." - [Ror Wolf]
Regionaler Mango-Chauvinismus. 
Sonntag, Juni 24, 2012, 09:04 - PRESSE
Beitrag von sb_admin
Fruchtige Leidenschaft - Die Inder und ihre Liebe zu den Mangos. Sehr interessant!
Nachzulesen [hier].


Die Stetigkeit eines Geräusches im Hintergrund ... 
Donnerstag, Juni 21, 2012, 22:40 - GELESENES
Beitrag von sb_admin
... das erst bemerkt wird, wenn es verstummt.

Was einer ist, was einer war,
beim Scheiden wird es offenbar.
Wir hören's nicht, wenn Gottes Weise summt;
Wir schaudern erst, wenn sie verstummt.

- Hans Carossa (1878-1956)
Where children sleep. 
Sonntag, Juni 17, 2012, 21:50 - PRESSE
Beitrag von sb_admin


Als [James Mollison] seine Fotoserie zum Thema Kinderrechte konzipierte, wollte er sie "Schlafzimmer" nennen. Aber bald realisierte er, dass er einen anderen Titel suchen musste - bei weitem nicht alle Kinder konnten ein ganzes Zimmer oder auch nur eine geschützte Ecke ihr eigen nennen.



Gefunden im Foto-Tableau der NZZ - Folgen 1 - 5 in der Woche vom 11. - 15. Juni 2012.
Weiterführender Link [hier].


Der Mond als poetische Erscheinung. 
Samstag, Juni 16, 2012, 10:08 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
Die Sonne ist eine Wohltäterin, der wie allen Wohltätern nur wenig zur Tyrannei fehlt. Sie anzubeten, ist eine der ältesten Religionen und einer der modernsten Kulte. Sie lässt sich nicht ansehen und stürzte doch die Menschen in Angst und Schrecken, wenn sie sich verfinsterte. Das Verhältnis der Menschen zur Sonne ist triebhaft; sie sind bereit, alle Hüllen fallen zu lassen, damit der Strahl sie bis in die letzten Winkel erreicht, mit vielen schönen Begründungen, die noch niemals jemand ernst genommen hat, wie es bei Dingen zu sein pflegt, von denen jeder weiss, dass sie stärker sind als Gründe. Es gibt nichts Vergleichbares zu dieser Abhängigkeit, zu diesem Genuss unter der Fuchtel eines Despotismus, dem zumindest keiner zu widersprechen wagt.
Dies alles verhindert, dass es eine Poesie der Sonne, eine Ästhetik ihrer poetischen Erscheinung geben könnte. Wo man in der Pflicht steht, singt man nicht. Die poetische Erscheinung könnte nur etwas sein, was in diesem Verhältnis unseresgleichen ist, was unter dem Aufgang der Sonne zu seiner Fülle und seinem Glanz kommt, durch ihren Untergang schwindet und vergeht bis zu dem Punkt, wo es scheint, es könnte nicht gewesen und niemals wieder sein. Dieses, was im Verhältnis zur tyrannischen Sonne unseresgleichen ist, ohne uns zu gleichen, ist der Mond. Niemand hat unter ihm je gelitten (...)

Aus: Hans Blumenberg - Die Vollzähligkeit der Sterne.
Manchmal ... 
Samstag, Juni 9, 2012, 20:19 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
...gerät man an ein Buch - man weiss nicht wie.
Pure Verzückung.
Und dann weiss mann einfach nicht, warum man da nicht schon früher drauf gestossen ist.

Die Sonne ist weder fern noch nah. Aber sie ist längst da, ehe sie aufgeht, und noch da, wenn sie schon untergegangen ist (...). Der Mond ist nie da, ehe er aufgegangen ist; er ist immer nur er selbst in seiner sanften Gegenwart, die sich ohne Blendung anschauen läßt (...). Sonne und Mond sind nicht einfach die Gestirne von Tag und Nacht, als seien die Zuständigkeiten säuberlich und konfliktfrei aufgeteilt. In Wahrheit besteht eine unerbittliche Rivalität zwischen ihnen. Die Sonne ist die Feindin des Mondes, dem sie widerwillig ihr Licht leiht, und der Mond der zwar milde, doch entschiedene Widerspruch gegen die Sonne, die ihre Peitsche über der Tageswelt und ihrer Geschäftigkeit schwingt.

Hans Blumenberg: Die Vollzähligkeit der Sterne [Link]
Wild things. 
Dienstag, Mai 22, 2012, 21:49 - GELESENES
Beitrag von sb_admin
Schönes Postscript ... ... von Mariana Cook
im [New Yorker] vom 21. Mai 2012. Das Bild zeigt Maurice Sendak 2005 bei sich zu Hause in Ridgefield/Connecticut, die Textausschnitte stammen aus einem Interview aus dem Jahre 2009.

I am in my bathrobe in the forest with my dog, Herman, who is a German shepherd of unknowable age, because I refused to ever find out. I don't want to know. I wish I didn't know how old I was. This is far more than I expected, far more than I need, far more than I desire. I didn't think I'd live this long. (...)

... And then - things change when you get older. You're doing what you want to do. You're very lucky. Oh, the books, the books, the books, the books; the prizes, the prizes, the prizes, the prizes. It doesn't matter that you've done a hundred books. It doesn't mean anything when people say "I read your book. I like it so much." People do say awfully nice things, but it doesn't change the fact that you're a stinky person by nature. (...)

... It's hard to be happy. Some people have the gift of pulling themselves up and out and saying there is more to life than just tragedy. And then there are those who can't, and I'm one of them. Do you believe it when people say they're happy?
... Es gefiel mir ... 
Montag, Mai 21, 2012, 05:39 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... dass die Gehöfte so klein waren. In kleinen Gehöften wohnten Menschen, die Bücher lasen und sich um ihr seelisches Wohlergehen sorgten. Die wahre Liebe blühte nirgends ausser dort. Dort wohnten jene unbefleckten Mädchen, die ihr Herz nur einmal vergaben und es bis in alle Ewigkeit nicht wieder zurückforderten. In grossen Orten hingegen wohnten habsüchtige Menschen, die niemals lasen, nie jemanden geliebt hatten, ausser Geld und sich selbst, die ihr Herz meistbietend verkauften und nach dem Tod keine Ruhe fanden und so lange im Totenreich herumgaukeln mussten, bis die Finsternis sie gelehrt hatte, so zu lieben wie die guten Menschen auf den kleinen Gehöften. (...)

Thórbergur Thórdarsson: [Islands Adel]

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