Statt hier ... 
Montag, August 20, 2012, 21:07 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... sinnlos die Zeit zu verschwenden - ja, Sie, a.more.s meint haargenau Sie! - und auf mehr oder weniger geistreiche neue Wahnsinns-Beiträge zu warten:

[www.droschl.com] Musik pur.

Mehrwert: [www.thomasstangl.com]
Sommerflecken. 
Sonntag, August 5, 2012, 09:11 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
Märzendreck. Angelkisses. Sommersprossen. Tâches de rousseur. Rossmucken. Freknur. Märzentupfen. Gugerschecken. Guckerschecken. Zomersproet. Märzenflecken. Laubflecken. Lentiggine. Fräknar ...



Reto Caduff - FRECKLES - [orell füssli]



[www.retocaduffphotography.com]



Bei aller Begeisterung für das Buch bzw. die Fotos: Etwas gar einseitig auf junge Frauen beschränkt - wie wenn's das nicht gäbe: ältere bzw. männliche Lebewesen mit Laubflecken ...
Im Tausch gegen ... 
Samstag, Juni 30, 2012, 21:07 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... zwei Gemälde, Lebensmittel, Benzin und Gold organisierte Egon einen deutschen Lastwagen. „Um Mitternacht holt er uns ab.“
Fieberhaftes Packen. Sämtliche Wertsachen kamen in grosse Kisten, sogar Bettwäsche und Bilder. Dann sassen wir da und warteten. Matratzen und Kissen, auf denen ich im Lastwagen liegen sollte, standen bereit. (Ich war noch nicht vollständig genesen.)
Gegen zwei Uhr nachts kam dann ein kleinerer Wagen. Alles wieder umladen. Eine Familie eine Kiste und pro Kopf vier Koffer, lautete die Anweisung.
Wir packten um und warteten.
Der Morgen dämmerte. Kein Wagen in Sicht. Während es nur zögerlich Tag wurde, öffnete ich die Kisten und stellte alles wieder in die Wohnung zurück, wie es zuvor gewesen war. Bilder, Tischdecken, Vasen. Als wäre nichts geschehen, als bereitete ich mich nicht darauf vor, für immer fortzugehen und mein Zuhause dem zu überlassen, der es betrat und in Besitz nehmen würde.
Hinter den heruntergelassenen Rollos zündete ich die Lampen an und ging durch die Zimmer. Alles war in Ordnung, auch die Küche.
Ich wusch die Kaffeetassen ab und stellte sie in den Schrank. (Die Koffer standen draussen vor der Tür, sie enthielten grösstenteils schon die persönlichen Sachen.)
Morgens um sieben erschien verschwitzt und nervös Egon: Auch dieser Wagen würde nicht kommen. Er hatte einen Karren organisiert.
Alles umpacken und den Karren in dreissig Minuten beladen mit dem, was aus zwei Wohnungen und für fünf Personen hineinpasste, und so, den Karren schiebend, begaben wir uns zum Bahnhof, um noch im Flüchtlingszug mitgenommen zu werden. (Die zuvor eingepackten Sachen hatte ich nur noch wegschmeissen können, die Schachtel mit den Fotos fiel auseinander, die Bilder lagen überall verstreut, auf dem Boden, auf dem Tisch, auf dem Diwan; die Sonne brannte scharf und erbarmungslos herein.) János sagte nicht viel. Er war mürrisch und verschlossen. Auch beim Packen mischte er sich nicht ein. Er half aber auch nicht.

Am Bahnhof herrschte
ein unbeschreibliches Chaos. Quer über den Bahnhofsplatz bewegte sich eine endlose Kolonne von Militärwagen. Kein Flüchtlingszug in Sicht. Unser Hab und Gut luden wir in einem der Warteräume ab, zwischen zerbrochenem Glas und Mauerschutt.
Mein Vater sagte, er sei hungrig, auf dem Weg habe er einen Obststand gesehen, er wolle zurück in die Stadt, um ihn wiederzufinden. Und er ging.
Egon und Irénke hielten Ausschau nach einem motorisierten Gefährt, sie nahmen ihre Sachen sicherheitshalber gleich mit, auf dem Karren; falls sie einen Platz ergatterten, würden sie uns hinterherfahren. Ich passte auf unsere Sachen auf. Janós begab sich nach links zur Bahnaufsicht.
Plötzlich brach ein Höllenlärm los, alle rannten und flohen durcheinander. Ein alter Eisenbahner stand am Bahnsteig und zeigte zum Himmel: „Bomber!“ Dann wurde sein Gesicht kreidebleich: „Da fallen die Bomben, seht!“ Drei kleine Trauben, bestehend aus jeweils drei Pünktchen, sanken über den Häusern herab. Ich rannte zur Bahnaufsicht und fand Janós wieder, Hand in Hand rannten wir zum Luftschutzraum. Wir standen vor einer Art unterirdischem Bunkerkorridor, man musste über eine Eisenleiter in den Schacht hinunterklettern. Die Leute schoben und traten sich wie Tobsüchtige. Da flog eine Maschine unmittelbar über unsere Köpfe hinweg. Ich stand abseits der Menge und starrte wie gebannt auf einen Dreierpunkt, der direkt auf uns niederging. Jemand brüllte wie ein Tier, jetzt ist es aus.
Zum Hinunterklettern war keine Zeit mehr. Janós riss mich an sich, hob mich hoch, warf mich in den Schacht und sprang hinterher. In dem Moment explodierte eine Bombe. Ich stürzte auf die anderen, mit der Hand blieb ich in einem Mauerspalt hängen. Im Grunde hatte mir Janós soeben das Leben gerettet, im wahrsten Sinne des Wortes, denn ich war wie angewurzelt stehengeblieben und hatte nicht einmal mehr versucht, mich zu bewegen. Seltsamerweise habe ich ihm gegenüber nie Dankbarkeit dafür empfunden. Seine Geistesgegenwart hingegen bewunderte ich.
Wir standen in dem engen Betonkorridor, gegen die Wand gedrückt, wir waren sehr viele. Eine heftige Schwäche übermannte mich, ich traute mich nicht, den Kopf zur Seite zu drehen, um nicht hinsehen zu müssen, wer alles draussen geblieben war und nun heruntergebracht wurde, schrecklich zerfetzt und doch noch am Leben. Einer wollte etwas sagen, brachte jedoch nichts heraus. Nur irgendwelche Laute drangen aus ihm hervor, wieder und wieder, ein unverständliches Röcheln. Der Betondeckel des Schachts wurde zugezogen, trotzdem hörte man die Bomben einschlagen, immer wieder … Sie waren sehr nah. Von Zeit zu Zeit erzitterte die Erde um uns. Ein Eisenbahner stand am Bunkertelephon, befahl uns, still zu sein, und rief in den Hörer: „Wir haben Verletzte, schicken Sie bitte die Erste Hilfe!“ Zehnmal hintereinander der gleiche Satz. Dann: „Ich verstehe“, lange Pause, er wartete, aufmerksam. Dann wischte er sich über die Stirn: „Man kann uns nicht helfen.“
Dann machte er sich an einer Vorrichtung zu schaffen, um die Belüftungspumpe in Gang zu setzen. Nichts tat sich. Er mühte sich ab, andere halfen ihm dabei, doch es funktionierte nicht. Man müsse den Betondeckel öffnen, hiess es, denn die Luft im Schacht wurde dramatisch knapper. Wir drohten zu ersticken. (…)
Di erste Gruppe begann, die Leiter hinaufzuklettern. Der Betondeckel lässt sich nicht öffnen. Wir sind begraben. Was jetzt?
Nun machten sich andere an der Pumpe zu schaffen, der Eisenbahner telephonierte. „Es gibt keine Luft! Es gibt keine Luft! Wir sind begraben, wir brauchen Hilfe, wir brauchen Hilfe!“ Dann die Anweisungen: „Nicht sprechen, sich nicht bewegen! So verbrauchen wir weniger Luft. Atmen Sie flach und gleichmässig!“
Wie Heringe standen wir da, ganz still, wir schwitzten und atmeten verzweifelt, denn etwas Luft gab es noch. (Wenn ich jetzt tiefer einatme, halte ich es dann länger aus?) Am schlimmsten war das Telephon. Und in der tödlichen Stille das Röcheln der Verwundeten, der Schweiss. „Wir sind siebzig Personen, zehn, fünfzehn Minuten schaffen wir es noch.“ Dann: „Die Telephonleitung ist tot.“ Er liess den Arm sinken, den Hörer in der Hand.

"Im Krieg ist es nicht leicht.

In der Ehe auch nicht.

Ich werde versuchen, Dir davon zu erzählen,

denn einmal muß es ja erzählt werden." - Alaine Polcz


Links: [Perlentaucher] - [Suhrkamp], mit weiterer Leseprobe.
Der Mond als poetische Erscheinung. 
Samstag, Juni 16, 2012, 10:08 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
Die Sonne ist eine Wohltäterin, der wie allen Wohltätern nur wenig zur Tyrannei fehlt. Sie anzubeten, ist eine der ältesten Religionen und einer der modernsten Kulte. Sie lässt sich nicht ansehen und stürzte doch die Menschen in Angst und Schrecken, wenn sie sich verfinsterte. Das Verhältnis der Menschen zur Sonne ist triebhaft; sie sind bereit, alle Hüllen fallen zu lassen, damit der Strahl sie bis in die letzten Winkel erreicht, mit vielen schönen Begründungen, die noch niemals jemand ernst genommen hat, wie es bei Dingen zu sein pflegt, von denen jeder weiss, dass sie stärker sind als Gründe. Es gibt nichts Vergleichbares zu dieser Abhängigkeit, zu diesem Genuss unter der Fuchtel eines Despotismus, dem zumindest keiner zu widersprechen wagt.
Dies alles verhindert, dass es eine Poesie der Sonne, eine Ästhetik ihrer poetischen Erscheinung geben könnte. Wo man in der Pflicht steht, singt man nicht. Die poetische Erscheinung könnte nur etwas sein, was in diesem Verhältnis unseresgleichen ist, was unter dem Aufgang der Sonne zu seiner Fülle und seinem Glanz kommt, durch ihren Untergang schwindet und vergeht bis zu dem Punkt, wo es scheint, es könnte nicht gewesen und niemals wieder sein. Dieses, was im Verhältnis zur tyrannischen Sonne unseresgleichen ist, ohne uns zu gleichen, ist der Mond. Niemand hat unter ihm je gelitten (...)

Aus: Hans Blumenberg - Die Vollzähligkeit der Sterne.
Manchmal ... 
Samstag, Juni 9, 2012, 20:19 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
...gerät man an ein Buch - man weiss nicht wie.
Pure Verzückung.
Und dann weiss mann einfach nicht, warum man da nicht schon früher drauf gestossen ist.

Die Sonne ist weder fern noch nah. Aber sie ist längst da, ehe sie aufgeht, und noch da, wenn sie schon untergegangen ist (...). Der Mond ist nie da, ehe er aufgegangen ist; er ist immer nur er selbst in seiner sanften Gegenwart, die sich ohne Blendung anschauen läßt (...). Sonne und Mond sind nicht einfach die Gestirne von Tag und Nacht, als seien die Zuständigkeiten säuberlich und konfliktfrei aufgeteilt. In Wahrheit besteht eine unerbittliche Rivalität zwischen ihnen. Die Sonne ist die Feindin des Mondes, dem sie widerwillig ihr Licht leiht, und der Mond der zwar milde, doch entschiedene Widerspruch gegen die Sonne, die ihre Peitsche über der Tageswelt und ihrer Geschäftigkeit schwingt.

Hans Blumenberg: Die Vollzähligkeit der Sterne [Link]
... Es gefiel mir ... 
Montag, Mai 21, 2012, 05:39 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... dass die Gehöfte so klein waren. In kleinen Gehöften wohnten Menschen, die Bücher lasen und sich um ihr seelisches Wohlergehen sorgten. Die wahre Liebe blühte nirgends ausser dort. Dort wohnten jene unbefleckten Mädchen, die ihr Herz nur einmal vergaben und es bis in alle Ewigkeit nicht wieder zurückforderten. In grossen Orten hingegen wohnten habsüchtige Menschen, die niemals lasen, nie jemanden geliebt hatten, ausser Geld und sich selbst, die ihr Herz meistbietend verkauften und nach dem Tod keine Ruhe fanden und so lange im Totenreich herumgaukeln mussten, bis die Finsternis sie gelehrt hatte, so zu lieben wie die guten Menschen auf den kleinen Gehöften. (...)

Thórbergur Thórdarsson: [Islands Adel]
Die Kunst der Übersetzung ... 
Dienstag, März 27, 2012, 21:07 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... als Tanz zwischen Wahrheit und Schönheit.

Mit [diesem Buch] zum ersten Mal auf den Namen [Kristof Magnusson] gestossen und - aufgehorcht.

Und nun fällt der Mann, losgelöst von den Einschränkungen der Übersetzungsarbeit, mit einem dieser unscheinbaren allerwelts-"Gebrauchsanweisung-für ..." - Büchlein gleich nochmals sehr positiv auf.
Als eloquenter Schreiberling, mit analytischem Sachverstand und sehr viel feinem Humor.

Nicht unbedingt als Reiseführer geeignet- ... eher ein Beitrag zur Lage der Nation und zur Mentalität der Menschen, die diese Nation ausmachen.

Mehrwert: [Interview] aus der ZDF-Mediathek.
13. September 1969 - Heute Nachmittag ... 
Sonntag, März 11, 2012, 23:07 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... habe ich mich an die folgende Geschichte erinnert: vor ungefähr 10 Jahren fragten mich auf dem Place de l’Odéon mitten im Sommer zwei betagte Ausländerinnen, die grosse Hüte trugen und Holländerinnen oder Schweizerinnen gewesen sein dürften, wo sich die Notre-Dame befände.
-Es gibt keine Notre-Dame. Ich bin seit 20 Jahren in Paris und wenn es existierte, hätte ich es doch sehen müssen.
Daraufhin entfernten sich die guten Frauen, ohne ein Wort zu sagen, unter dem Schlag des lebhaftesten Schreckens.
Was merkwürdig ist, dass es sich meinerseits nicht um einen Scherz handelte. Ich wirkte im Gegenteil sehr ernsthaft und war es auch im übrigen. Ich fühlte mich sonderbar …

E. M. Cioran: Notizen 1957 – 1972. Karolinger, Wien.
Was hat sich ... 
Freitag, März 2, 2012, 21:04 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... a.more.s abgemüht, Zugang zur isländischen Literatur zu finden.
Nie so richtig warm geworden.

Doch nun, [dieses Buch] ... ... - ein Lichtblick. Endlich! Und gleich was für einer. a.more.s weiss nach zwei, drei Seiten sofort: Das ist es! Diese Sprache, diese Poesie - die reinste Musik.

Der Protagonist des Romans - er nennt sich wie der Autor Thórbergur - arbeitet in einer Heringsfabrik; doch die wahre Erfüllung (Zitat Buchumschlag, gekürzt) " ... findet er in seinen philosophischen Grübeleien über die Unendlichkeit des Universums, die Liebe und das Leben. Erfüllung sucht er auch bei der himmlischen Hulda. Einen ganzen Sommer lang reist er ihr hinterher, um sie dann im entscheidenden Moment zu verpassen. Dabei will der ewig scheiternde Thórbergur nur eins: dem Leben ein wenig Glanz verleihen. - Die humorvolle Geschichte eines Lebenskünstlers, eines liebenswerten Taugenichts - sie zu lesen das reinste Glück."

Auf dem Heimathof des Schriftstellers - in Island als Begründer der isländischen literarischen Moderne eine bekannte Grösse - mitten in der schönsten isländischen Einsamkeit, in einer gottverlassen-paradiesischen Umgebung, steht heute die [Gedenkstätte Þórbergssetur] - in Form eines Bücherregals. Informationen in englischer Sprache sind [hier] zu finden.



Trotz der Auffälligkeit des Gebäudes, wie so vieles in Island: "... it’s easy to miss!", wie ein Besucher festhielt. "If you’re coming from the south, it’s 12.5 km north of the glacier lagoon, on the right hand side of the road. It’s a large farm with separate buildings and quite a few cows, but the sign is small; we passed by it and then turned around and passed it again before our third swing by when we figured it must be the place ..."
Was sagt eigentlich ... 
Freitag, März 2, 2012, 06:09 - BÜCHER
Beitrag von sb_admin
... einer, der schreibt, zur Buchpreisbindung?

Zum Beispiel [Peter Stamm].
Nachfolgend ein ungekürzter Text - gefunden im Anhang einer Verlagsmitteilung des [Limmat-Verlags Zürich]:

"Als Autor kann es mir eigentlich egal sein, ob der Buchpreis gebunden ist oder nicht. Meine Tantiemen sind in den Verträgen festgelegt, ich bekomme pro Buch gleich viel, ob es zumListenpreis verkauft wird oder mit 30 Prozent Rabatt. Meine Bücher gehören zwar nicht zu jenen, die in den Regalen der Post oder der Ex Libris stehen, aber mein Verlag ist doch immerhin gross genug, um auch von Discountern nicht übergangen zu werden. Aber welcher literarische Autor, welche literarische Autorin hätte je geschrieben, um reich zu werden? Die meisten von uns würden mehr verdienen, wenn sie ihre Zeit statt mit Schreiben zu verbringen an der Kasse der Ex Libris sitzen würden. Wenigstens wären sie dann gegen Krankheit versichert, hätten eine Pensionskasse und bekämen Kinderzulagen.

Bücher, könnte man meinen, seien ein wichtiges Kulturgut. Was wüssten wir von der Schweiz des 19. Jahrhunderts, wenn wir keinen Gottfried Keller hätten, keinen Conrad Ferdinand Meyer oder Jeremias Gotthelf, keine Johanna Spyri?

Unser Land gibt jedes Jahr ungefähr 3,6 Milliarden Franken an Subventionen und Direktbeiträgen für die Landwirtschaft aus. Diese Beiträge werden mit der gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft begründet, mit der «Nutzung und Pflege der landwirtschaftlichen Nutzfläche».

Auch die Literatur erbringt eine gemeinwirtschaftliche Leistung. Sie pflegt die geistige Landschaft der Schweiz, sie schreibt unsere Geschichte fort, stellt nationale Identität her, erinnert uns daran, woher wir kommen, denkt darüber nach, wer wir sind und wohin wir gehen. Diese Leistung ist Bund, Kantone und Gemeinden jährlich 16 Millionen Franken wert. (Wovon höchstens ein Zehntel direkt den Schreibenden zu gute kommt.)

In einer Untersuchung über die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden von 2006 schnitten die Schreibenden am schlechtesten ab. Nur ein Viertel gab an, mehr als 20’000 Franken mit ihrem Schreiben zu verdienen. Die finanzielle Lage der meisten Autorinnen und Autoren ist, kurz gesagt, katastrophal. Kaum eine, kaum einer kann es sich leisten, sich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren. Es mag pathetisch klingen, aber sich in der Schweiz für das Schreiben zu entscheiden heisst zugleich, sich mit grösster Wahrscheinlichkeit für ein Leben in Armut zu entscheiden.

Die Bundesbeiträge für alle Schriftstellerinnen und Schriftsteller entsprechen ungefähr jenen für sechzehn Bauern. Dazu kommt, dass der Markt für landwirtschaftliche Produkte weitgehend geschützt ist. Ausgerechnet an der darbenden Buchbranche jedoch soll der freie Markt ausprobiert werden.

Natürlich will kein Politiker und keine Politikerin gegen das Buch sein, alle betonen, wie wichtig es sei, die Buchvielfalt zu erhalten. Aber jedesmal, wenn in den letzten Jahren Geld dafür gesprochen werden sollte, stimmten dieselben Politiker dagegen, wie im letzten Jahr, als es um drei Millionen für die Verlagsförderung oder um die Motion zur Förderung der Schweizer Buchautoren ging.

Vergisst man die Ideologie des freien Marktes und schaut sich die Realität an, so zeigt sich, dass die Buchpreise in Ländern ohne Preisbindung im Durchschnitt stärker gestiegen sind als in jenen mit. Und dass dort unzählige Buchhandlungen eingegangen sind, in England zum Beispiel mehr als die Hälfte. Kleine, gut sortierte Buchhandlungen sind für Autorinnen doppelt wichtig. Zum einen kennen und empfehlen sie Schweizer Literatur, zum anderen organisieren viele von ihnen Lesungen, die für die meisten von uns die Haupteinnahmequelle sind. Den Initiatoren des Referendums – allen voran der Ex Libris – kann ein Buchhandelssterben nur recht sein. Wer schon einmal in einer Filiale der Ex Libris war und mehr suchte als ein Kreuzworträtsellexikon, eine Globi-Kassette oder das neue Buch von Paulo Coelho wird sich davor fürchten.

Niemand wird mit Büchern reich, weder die Autorinnen noch die Verlage noch die Buchhändler. Aber es wäre schön, wenn die Büchermacher überleben könnten und so die kulturelle Vielfalt der Schweiz reich bleibt."


Simon Tavik: Vilma reading on a sofa

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